Schüler machen den Politikern Dampf



Großes Interesse an der Arbeit der Energie-AG 
des Pfuhler Gymnasiums zeigte eine Schüler-
gruppe aus Brünn, hier bei der Besichtigung
der schuleigenen Solar-Anlage. Die tschechinschen
Schüler recherchierten für Artikel, die sie im 
Rahmen des grenzüberschreitenden 
Kooperationsprojekts "Jugend und Umwelt" in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und in der
Presse ihres Heimatlandes veröffentlichen.
Bild: hit

  
Aus der Neu-Ulmer Zeitung vom 25. April 2001

Pfuhler Gymnasiasten stecken viel Energie in die Erforschung von Heizungssystemen in öffentlichen Einrichtungen

Neu-Ulm/Pfuhl (hit). Manchmal wundert sich Sabine Sorger: "Da hängst du ein paar Thermometer in den Klassen auf und plötzlich stehst du im Landtag." Das ist untertrieben. Denn die Pfuhler Gymnasiasten haben mit viel Energie die schulische Heizung erforscht. Und nebenbei gelernt, wie man Politikern Dampf macht. Jüngstes Beispiel: Dank ihrer Hart-näckigkeit bekamen sie den Segen für eine Umfrage an bayerischen Gymnasien über deren Probleme mit Heizanlagen.

Mit dieser Untersuchung will sich die Energie-AG des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums auch am Internet-Wettbewerb Umwelt und Gesundheit" unserer Zeitung beteiligen. In erster Linie geht es den Schülern darum herauszufinden, ob ihre These stimmt, dass die meisten Heizanlagen in öffentlichen Gebäuden eine Menge Energie verschwenden.

Befragungen an Schulen müssen jedoch genehmigt sein, und zwar von höchster Stelle, dem Kultus-ministerium. Von dort erhielten die Gymnasiasten zunächst einen Dämpfer: Die Erhebung sei wissenschaftlich und pädagogisch nicht relevant, lautete sinngemäß der Grund für die Ablehnung.

Mit diesem Bescheid ließen sich die Pfuhler freilich nicht abspeisen - und fuhren persönlich nach München. Dabei zählten die Gymnasiasten auf ihre Kontakte - einerseits zu den Landtagsabgeordneten, denen sie ihre Arbeit im vergangenen Jahr vorgestellt hatten, und andererseits zur Tutzinger Akademie für Umweltbildung, die ihnen im Herbst 2000 einen Preis verliehen hatte.

Hinter den Kulissen
So organisierte der SPD-Landtagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses, Johannes Strasser, den Pfuhlern postwendend einen Gesprächstermin, als er von ihren Schwierigkeiten hörte. Es war Sitzungstag, als die Schüler anreisten. "Deshalb lief alles hinter den Kulissen, aber Herr Strasser brachte uns mit den richtigen Leuten zusammen", berichtet Carolin Ernst. Auch Ministerin Hohlmeier habe sich kurz blicken lassen "und schüttelte uns die Hand. Mehr nicht."

Das kam knapp eine Woche später ein bisschen anders. Noch einmal fuhren die Pfuhler in die Landeshauptstadt. Karl-Horst Dieckhoff, Geschäftsführer der Stiftung Umweltakademie Tutzing, nahm die Arbeitsgruppe und Lehrerin Margit Fluch mit zu einer Tagung der Hans-Seidel-Stiftung, auf der auch Monika Hohlmeier vor lauter geladenen Gästen sprechen sollte. "Wir wollten sie abpassen und ihr einen Brief überreichen, ohne dass es allzu peinlich wird", sagt Carolin Ernst.

Doch plötzlich standen die Schüler im Mittelpunkt des Interesses. Dieckhoff meldete sich in der Diskussion zu Wort und stellte die Gymnasiasten vor. Die mussten nach vorne gehen und ihr Schreiben übergeben - Herzklopfen hin oder her. "Dir bleibt ja nichts anderes übrig, wenn Frau Fluch dir den Finger in den Rücken bohrt und sagt, du sollst jetzt aufstehen", meint Carolin lachend.

Inzwischen ist die Umfrage genehmigt. Die ursprüngliche Ablehnung erklärt sich Thomas Träger von der Energie-AG mit dem "instruktiven Handeln von Behörden": Der Antrag sei bei der Rechtsabteilung des Kultusministeriums halt "durchs Raster" gefallen. "Scheu sollte man nicht haben, wenn man was durchsetzen will", resümiert Thomas. "Wir haben einerseits erfahren, dass es lange dauert, bis in der Politik etwas in Gang kommt", sagt Markus Ernst. Er fand es andererseits wichtig zu sehen, "dass Politiker auch nur Menschen sind, die mal einen Imbiss brauchen und unter Stress stehen." Daraus gewann er die Erkenntnis, dass erstens Fakten zählen und zweitens deren übersichtliche und verständliche Präsentation genauso wesentlich ist.

Das Selbstbewusstsein der Schüler kommt nicht von Ungefähr. Sie verdanken es ebenso wie die Preise, die sie mittlerweile einstreichen durften, harter Arbeit und einer gehörigen Portion Hartnäckigkeit. Die brachten und bringen sie vor allem deshalb auf, weil sie etwas erreichen wollen. Sie sind überzeugt davon, dass ihre Studien und die Konsequenz daraus einen Beitrag dazu leisten kann, den Kohlendioxid-Ausstoß zu verringern.

Als sie zu Beginn ihrer Forschungen Messeier in den Klassenzimmern auslegten, wurden sie von manchem Mitschüler als Umweltfreaks belächelt. Allerdings ahnten sie selber nicht "welche Kreise das alles ziehen würde", sagt Markus Ernst. Schuld daran ist das - auch für die AG zunächst verblüffende - Untersuchungsergebnis, das ein strukturelles Problem zu Tage förderte und sich damit zum Politikum auswuchs: Ihre Messungen stützten nicht nur das Empfinden, dass manche Räume in der Schule zu kalt, andere zu heiß sind. Vielmehr konnten sie beweisen, dass dafür nicht falsches Lüften verantwortlich ist, sondern der mangelnde hydraulische Abgleich in der (sanierten) Anlage. Daraus leitet die Arbeitsgruppe ihre Forderung ab, Aufträge für neue Heizungen und für die Sanierung alter Systeme nach ökologischen Kriterien zu vergeben (wir berichteten).

Mit ihrer Erhebung unter allen Gymnasien des Freistaats hofft die Energie-AG, das "Denken der Schüler zu sensibilisieren"; wie Thomas Träger sagt. "Wir möchten außerdem zeigen, dass Schüler auch durch Eigeninitiative etwas bewegen können", ergänzt Markus Ernst. "Aber wir haben noch viel zu tun im eigenen Stall", sagt Carolin. Denn viele Mitschüler halten die AG-Mitglieder für naive Spinner und Idealisten, die ihre Freizeit opfern, um in die Tiefen der Geheimnisse von Heizsystemen vorzudringen und die dafür eingeheimsten Preisgelder auch noch in den Aufbau einer Solaranlage stecken. "Wir kriegen ja keine besseren Noten für die Extra-Arbeit", erklärt Markus. "Aber wir profitieren für uns selbst eine Menge."

Abgetippt von Thomas Träger