Bericht der Energiespar-AG des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums vor dem Umwelt- und Werkausschuss des Kreistages am 29.11.99

Inhalt:

  1. Defekte
  2. Fehlender hydraulischer Abgleich
  3. Nicht funktionierende Nachtabsenkung
  4. Heizkessel
  5. Das intelligente Nutzerverhalten der Schüler
  6. Zusammenfassung

Einleitung

Sehr geehrter Herr Landrat Geßner,
sehr geehrte Damen und Herrn Kreisräte, Sie haben im vergangenen Jahr einen Energiesparwettbewerb für die landkreiseigenen Schulen ausgeschrieben. Das Wettbewerbsergebnis unserer Schule liegt Ihnen als schriftlicher Bericht vor. Wir freuen uns, daß unsere Arbeit soviel Interesse gefunden hat, dass wir darüber auch noch persönlich vor Ihnen vortragen dürfen. So können wir vielleicht auch noch, wenn Ihre Zeit dies erlaubt, auf Fragen dazu eingehen. Seit unserem Bericht haben sich zwei wesentliche Parameter geändert: Zum einen haben wir seit diesem Schuljahr mit Herrn Zillober einen neuen Hausmeister bekommen, der sich sehr engagiert um die Haustechnik kümmert. Zum anderen wurden auf Grund unserer Ergebnisse zwischenzeitlich erhebliche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Beides hat zu deutlicher Komfortverbesserung beim Raumklima geführt und wird in unserem Vortrag mit berücksichtigt, untermauert durch neue Messungen in den letzten beiden Wochen in allen Klassenzimmern. Energieeinsparung durch intelligentes Nutzerverhalten und Vorschläge für preiswerte Energiesparmaßnahmen war Ihre Erwartungshaltung an die Wettbewerbsschulen. Als preiswert und damit realisierbar sollte jede Maßnahme gelten, die sich in längstens 6 Jahren über ihre Einsparungen amortisiert. Wir haben uns angestrengt, dieser Erwartung gerecht zu werden und haben tatsächlich sehr viel herausgefunden, was im Rahmen der Wettbewerbsbedingungen den Energieverbrauch und die Kosten sinken lässt und unserer Schule über das Beteiligungsmodell Geld bringt. Die wichtigsten Punkte davon werden Ihnen nun Sabine Sorger, Anja Drews und Stefan Dobler vortragen:

1. Defekte

Bei unserer Projektarbeit wurden wir darauf aufmerksam, dass an der Übergabestation zu den Bauteilen C und D einiges defekt war: Über die aufgetretenen Mängel war das Landratsamt nicht informiert, da der damals tätige Hausmeister keine Meldung erstattete. Somit war es dem Landratsamt unmöglich, entsprechend mit finanzieller Hilfe zu reagieren. Außerdem stellte sich heraus, dass die technisch anspruchsvolle Anlage vom Hausmeister nur im Handbetrieb gefahren wurde. Zwar hätte der neue Hausmeister, Herrr Zillober, die vorhandenen Mängel auch in absehbarer Zeit erkannt, jedoch wahrscheinlich erst nach Beginn der Heizperiode, d.h. schlicht und einfach zu spät. Somit blieben Kosten für solch provisorische Reperaturen und die damit verbundenen überhöhten Energiekosten dem Landkreis und somit dem Steuerzahler erspart. Im Frühsommer diesen Jahres gab das Landratsamt eine Sanierung in Höhe von 100 000 DM in Auftrag. An dieser Stelle möchten wir uns nochmals für die schnelle Lockermachung dieses außerplanmäßigen Geldvolumens bedanken. Zwar hat sich noch nicht der volle Effekt gezeigt, jedoch ist eine spürbare Komfortverbesserung erzielt worden.
Heizungsanlage ohne hydraulischen Abgleich Heizungsanlage mit hydraulischen Abgleich
Bild 1: Das fehlende hydraulische Gleichgewicht in der Heizungsanlage bewirkt einen falschen Wärmetransport zu den Heizkörpern. Bild 2: Korrekter Wärmetransport zu den Heizkörpern aufgrund einer funktionierenden Anlagenhydraulik gewärleistet den störungsfreien Betrieb der Anlage.

2. Fehlender hydraulischer Abgleich

Nun gehen wir im folgenden auf den fehlenden hydraulischen Abgleich ein. Er hat nichts mit der Heizungsanlage selbst und deren Regelungstechnik, wie den Thermostatventilen und der Elektronik, zu tun. Vielmehr hängt er mit der mechanischen Wasserverteilung auf die einzelnen Heizkörper zusammen. Diese sollten alle gleichmäßig mit Wasser versorgt werden. In Bild 1 ist dies nicht der Fall, dafür aber in Bild 2. Das mechanische Einregulieren der Wasserströme nennt man hydraulischen Abgleich. Ohne diesen Abgleich hat man an einem Heizstrang immer wärmere und kältere Räume, wie im Bild 1 zu erkennen ist. Das gleich zeigt sich bei uns und vermutlich auch bei den meisten anderen Schulen. Man kann natürlich als Abhilfe die Pumpleistung erhöhen. Somit wird dann auch der letzte Raum warm. Dabei muss man dann aber auf die Regelfähigkeit der Thermostatventile in den ersten Räumen des Heizstranges vertrauen. Ansonsten würden die vorderen Zimmer überhitzen. Dies funktioniert aber nur bedingt, wie unsere Messungen eindrucksvoll belegen: Die Ventile verlieren ohne den vorherigen hydraulischen Abgleich teilweise ihre Regelfähigkeit, wie die Kurve auf Bild 3 (Sekretariat, März 1999) deutlich zeigt: Die dortigen Thermostatventile sind, wie alle Ventile im Schulhaus, auf 20 Grad eingestellt. Sie müssen daher bei 20 Grad zu schließen beginnen und bei 22 Grad vollständig geschlossen sein. Tatsächlich beginnt der Schließvorgang z.T. erst bei 25 Grad!
Temperaturkurve Sekreteriat im März
Bild 3: Temperaturkurve Sekreteriat im März
Der hydraulische Abgleich ist somit nicht eine eigenständige Energiesparmaßnahme, zusätzlich zum Einbau neuer Thermostatventile, sondern die Voraussetzung für deren Funktionieren. Auf Grund des fehlenden hydraulischen Abgleichs sind die ca. 400 neu installierten Thermostatventile nicht in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen, obwohl sie ja eigentlich auf 20 Grad eingeregelt sind. Somit stehen wir dem Problem von zum Teil überhitzten Klassenräumen gegenüber, dem die Schüler nur mit unkontrolliertem Lüften entgegenwirken können, was zu einer unnötigen Energieverschwendung führt. Daraufhin hat das Landratsamt die beauftragte Firma dazu aufgefordert, den laut der Verdingungsordnung für das Bauwesen (VOB) gesetzlich geforderten Abgleich im Rahmen der Gewährleistung nachzuliefern.

3. Nicht funktionierende Nachtabsenkung

Während unserer Aktionen haben wir entdeckt, dass die installierte Nachtabsenkung in allen Bauteilen nicht funktioniert. Wegen dieser Ergebnisse hat das Landratsamt veranlasst, im Rahmen der Gewährleistung die Mängel zu korrigieren. Dabei wurde auf den Vorschlag des begleitenden Ingenieurbüros, das die Sanierungsmaßnahmen im Bauteil B und C geplant hatte, eingegangen und als Kontrollmaßnahme in sieben ausgewählten Referenzräumen Messfühler installiert. Dabei sind die Fühler im jeweils kältesten Raum eines Stranges angebracht. Per Buskabel wurde eine Verbindung zur Heizzentrale im Bauteil A hergestellt. Mit dieser wird die Nachtabsenkung geregelt (siehe Bild Physikübungsraum, ein Raum nahe dem Referenzraum)
Temperaturkurve Physikübung
Bild 4: Temperaturkurve Physikübung
Die Maßnahme mit den Referenzräumen wird allerdings erst dann den gewünschten Erfolg zeigen, wenn der hydraulische Abgleich durchgeführt wurde (siehe Bild vom Chemiesaal und Bild vom Sekretariat)
Temperaturkurve Physikübung Temperaturkurve Chemie
Bild 5: Temperaturkurve Chemie Bild 6: Temperaturkurve Sekreteriat
Mit Hilfe einer voll funktionierenden Nachtabsenkung können folgende Einsparungen erzielt werden:

4. Heizkessel

Außerdem wird der nun schon 24 Jahre alte und damit erneuerungsbedürftige Heizkessel alsbald nicht mehr funktionsfähig sein. Er war bereits während des letzten Jahres des öfteren ausgefallen. Auch über diesen Sachverhalt war das Landratsamt nicht informiert. Unser Ziel war und ist es, rechtzeitige Informationspolitik zu betreiben, um kostenintensive, provisorische Übergangslösungen zu vermeiden. Die Neuanschaffung beispielsweise eines Heizkessels würde somit nicht außerplanmäßig anfallen. Bei unserer Aufzählung werden Sie sicher einen wesentlichen Punkt des Wettbewerbs vermisst haben:

5. Das intelligente Nutzerverhalten der Schüler

Dieser Punkt fehlt aus gutem Grund. Hier sind wir nämlich an die Grenzen des Wettbewerbs gestoßen: Der Kreis der Nutzer besteht aus drei Gruppen: Dem Hausmeister, der Schulverwaltung und den Schülern samt Lehrern. Der Hausmeister ist die kleinste Nutzergruppe", hat dafür aber die größte Einwirkungsmöglichkeit, wie wir erleben konnten. Die Schulverwaltung hat ebenfalls Möglichkeiten , wenngleich auch wesentlich begrenztere (geeignete organisatorische Maßnahmen, wie z.B. Abhalten von Klassenelternabenden in nur einem einzigen Bauteil, Stundenplangestaltung, Raumbelegungen, ect.). Die Schüler-Lehrergruppe ist die größte Nutzergruppe mit der gleichzeitig kleinsten Eingriffsmöglichkeit. Wie in unserem Schlußbericht ausgeführt, liegt ihr Einfluß im Bereich von ein bis zwei Prozent und ist im Rahmen der Meßgenauigkeit nur nachweisbar, wenn die Heizungsanlage voll funktionsfähig ist, wofür sowohl der hydraulische Abgleich als auch die Einzelraumregelung eine wesentliche Voraussetzung ist. Diese Feststellung scheint den Erfahrungen der vielen anderen Energiesparschulen" zu widersprechen, die allesamt von Einsparungen im Bereich von 10-20% sprechen. Diese Schulen haben die Einsparungen sicher genauso wie wir erzielt, nicht aber durch sog. intelligentes Nutzerverhalten" der Schüler. Für merkliche Einsparungsmöglichkeiten durch die Schüler liefert nämlich auch die Theorie keinerlei Anhaltspunkte. Dies ist eine Erkenntnis unserer Arbeit, die auch von der Fachhochschule Ulm geteilt wird, mit der ich darüber ausführlich diskutiert habe. Aus diesem Grund ist das Energiesparprojekt für uns ausgereitzt, und wird von uns wegen des großen Aufwandes auch nicht zur Nachahmung für andere Schulen empfohlen. Die Entdeckung von Energielecks" erfordert eine fachliche Grundqualifikation, die eine Laienspielschar, wie sie nun mal Schüler und Lehrer darstellen, nur mit massiver Unterstützung durch Experten erlangen kann. Unsere Schule wird in Sachen Energie trotzdem weiter am Ball bleiben, wenn auch in neuer Form: Wir wollen Solarschule werden. Ein wesentlicher Bestandteil dieser pädagogischen Zielsetzung ist die Errichtung eines Solarhäuschens" neben dem Biotop unseres Gymnasiums. Herr Landrat Geßner hat dafür nach ausführlicher Diskussion mit der Schulleitung und dem Elternbeirat prinzipiell grünes Licht gegeben. Als Mitglied des unw (Ulmer Initiativkreis nachhaltige Wirtschaftsentwicklung e.V.) wird unsere Schule dabei mit einem unw-Projekt Solarschule Bertha-von- Suttner-gymnasium" unterstützt werden, an dem neben der Fachhochschule Ulm auch regionale Wirtschaftsunternehmen sowie ein Solararchitekt ihre Mitarbeit angeboten haben.Eine solch hochkarätige Unterstützung sowie die Finanzierung unseres Solarprojekts, das bereits im ersten Jahr einen Umfang von 50 000 DM hat, wäre ohne den guten Ruf, den sich unsere Schule durch die qualitätvolle Arbeit der Energiespar-AG erworben hat, sicher nicht möglich gewesen. Auch das ist ein weiterer unerwarteter, doch sehr erfreulicher Erfolg der Energiespar-AG, zu dem es sicher ohne den von Ihnen ausgeschriebenen Wettbewerb nie gekommen wäre. Als Letztes möchte ich auf das für uns mittlerweile wesentlichste Ergebnis unserer Arbeit eingehen: Unsere Schule zählt zu den bestuntersuchtesten Schulen, wurde von einer engagierten Verwaltung stets planmäßig gemäß der gutachterlichen Empfehlungen saniert und hat trotzdem soviele energiefressende Mängel, dass mit deren Auffindung unser Energiesparteam eine recht komfortable Gewinnbeteiligung einfahren konnte. Der Grund für diesen scheinbaren Widerspruch liegt meiner Meinung nach in den Ausschreibungsbedingungen für Sanierungsmaßnahmen: Wenn eine technische Maßnahme ausgeschrieben wird, interessiert den Auftraggeber eigentlich weniger die Maßnahme selbst, als vielmehr der Einspareffekt, den er sich davon erhofft. Den Handwerker dagegen interessiert nur die technische Maßnahme. Wenn z.B. ein Heizkessel mit moderner Brennwerttechnik gefordert wird, wird der Handwerker diesen liefern. Wenn der Kessel dann nicht die erhofften 15% Energieeinsparung erbringt, weil er das bei fehlendem hydraulischen Abgleich der Anlage garnicht kann, ist das nicht das Problem des Handwerkers. Wenn die Installation einer Nachtabsenkung gefordert wird, wird die beauftragte Firma eine nächtliche Absenkung der Heizwassertemperaturen einprogrammieren. Wie hoch der dadurch erzielte Einspareffekt ausfällt, muß die Firma nicht bekümmern. Die übliche Vertragsgestaltung sieht ja auch garkeine Garantieerklärung für einen bestimmten prozentualen Einsparerfolg vor. Das kann sie auch garnicht, weil der Erfolg dieser Einzelmaßnahme, wie wir gesehen haben, in hohem Maße vom vorgefundenen Zustand der Anlage abhängt (hydraulischer Abgleich ect.), der wohl kaum Bestandteil des Werkvertrages sein kann. Kurz: Die übliche Vorgehensweise beim Sanieren von Altanlagen ist immer die, daß nur in einer Richtung Aufträge ausgegeben werden, mit der Hoffnung, daß sich die erwünschte Einsparung einstellen wird, ohne daß eine Rückkopplung auf den tatsächichen Erfolg möglich ist. Ein grundsätzlich anderer Ansatz für die Sanierung von Altanlagen, der eine Rückkopplung vertragsmäßig zuläßt, ist das Contracting. Die Stadt Wien hat z.B. ihre gesamten Schulen über Contracting sanieren lassen. Die eine Hälfte der Schulen durfte die Firma Siemens sanieren, die andere Hälfte (insgesamt 22 Stück) die Firma Ökoplan GmbH. In der Vertragsgestaltung mußten bestimmte Einsparstandards garantiert werden, für deren Nichteinhaltung Vertragsstrafen vereinbart wurden. Daß eine Firma gleich eine so hohe Zahl von Schulen zur Sanierung erhält, erklärte mir der Firmenchef damit, daß ein öffentliches Gebäude ein so komplexes Gebilde ist, daß man sich der Sanierung nur iterativ nähern kann. Seine Firma, die übrigens noch weitere 30 Schulen in ganz Österreich betreut, habe zuerst an drei Schulen einiges Lehrgeld bezahlen müssen, bis ihr an der nächsten Schule die vertragsgemäße Sanierung endlich unter vertretbaren Kosten gelang.

Zusammenfassung:

Die Energiespar-AG hat vieles herausgefunden, was dem Landkreis im Rahmen der Wettbewerbsbedingungen Energie- und Kosteneinsparungen ermöglicht. Die wesentlichsten Punkte sind:
  1. Der fehlende hydraulische Abgleich der Heizkörper, was eine mangelhafte Regelgüte der Thermostatventile und eine immer noch nicht funktionierende Nachtabsenkung zur Folge hat.

    Erzielbare Einsparungen: 25%

    das sind pro Jahr 40t CO2 und 11 000 DM Energiekosten.

    Auch der in Kürze fällige Austausch des 24 Jahre alten Heizkessels kann ohne hydraulischen Abgleich nicht die erwarteten Einsparungen realisieren.

  2. Gravierende, dem LA nicht gemeldete Defekte an der Heizungsanlage in der Übergabestation zu Bauteil C/D und beim Heizkessel.

    Ihre rechtzeitige Entdeckung durch uns ermöglicht dem Landkreis eine geordnete Sanierung mit vorherigen Ausschreibungen und erspart so teure Provisoriumslösungen mit überhöhten Energiekosten.

  3. Eine Analyse der Ausschreibungsbedingungen, die erklären kann, warum Sanierungsmaßnahmen oft nicht den erhofften Effekt zeigen. Wir denken, dass diese Analyse für Ihre künftigen politischen Entscheidungen im Energiebereich hilfreich sein kann.